Ein Brief von Peter Wandai – August 2016

Liebe Unterstützer,
Ich hoffe, Ihnen geht es gut. Es hat länger gedauert, bis ich mich mit relevanten Ereignissen im Hinblick auf mein
Studium und mein Wohlergehen zurückmelde. Anders als in den vorangegangenen Briefen geht es diesmal wohl um den
entscheidendsten Aspekt, über den ich sonst kaum mit Ihnen oder auch anderen Menschen spreche. Angesichts der Tatsache,
dass ich ausdrücklich zu meiner Person befragt worden bin, werde ich mir gewiss jegliche Mühe geben, um als Umriss darzustellen, wer ich eigentlich genau bin.
Zunächst aber möchte ich meinen herzlichen Dank für die finanzielle Unterstützung übermitteln, die ich dauerhaft von Ihnen erhalten habe und ohne die ich wohl immer
noch mitten in einem Sumpf aus Traurigkeit und Leid stecken würde. Ganz bestimmt habe ich nicht die Hilfe vergessen, die Sie geleistet haben, damit ich dahin
kommen konnte, wo ich heute stehe. Da ich jetzt nur noch zwei Semester von meinem ersten Abschluss entfernt bin, muss ich erneut die prägende Rolle betonen, die Sie
beim Entwurf meiner Zukunft gespielt haben. Dafür kann ich niemandem von Ihnen jemals genug danken. Vielmehr hoffe ich nur, dass ich eines Tages die Möglichkeit
habe, solche Freundlichkeit zurück- oder weiterzugeben.

Nach diesen einleitenden Bemerkungen fange ich vielleicht damit an, meinen
gewöhnlichen Tagesablauf vorzustellen. Je nach Stundenplan bin ich von 7:30 Uhr
bis 21:25 Uhr in der Schule. Daher habe ich durchaus auch tagsüber mal frei und
komme dazu, einige kleinere IT-Aufgaben anzunehmen, so dass ich noch den ein oder
anderen Dollar dazuverdienen kann. Es liegt einerseits am Stundenplan, dass ich
keine Vollzeitstelle annehmen kann und andererseits am namibischen Innen –
ministerium, welches einen rigiden Umgang mit der Beschäftigung ausländischer
Studenten pflegt, wenn sie sich nicht auf Praktika beschränken. Auf jeden Fall läuft
mein Stundenplan von Montag bis Freitag durch. Gelegentlich gibt es Tests oder
Prüfungen auch Samstags. Im Wesentlichen dreht sich mein Leben um die Schule
und den Versuch, zur Unterstützung meiner Familie zuhause in Simbabwe noch ein
paar Dollar zu verdienen.

Mein Sozialleben ist mittlerweile etwas bunter geworden. So habe ich Sonntags –
nachmittags Zeit, um mit Freunden und Schulkameraden Basketball zu spielen,
um etwas Sport zu treiben. Wenn das nicht der Fall ist, komponiere ich. Da ich da
immerhin nahe an vielen Künstlern bin, mache ich mir am meisten aus Hip Hop. Die
Auswahl von Themen kreist dabei um eigene Erfahrungen, Gefühle und Gedanken.
Folglich bin ich bei Inhalten und Zielgruppen ziemlich vielseitig. Musik liebe ich
einfach, weil sie mir hilft, etwas Ruhe inmitten meines unruhigen Geists zu finden,
der sonst ständig darum zu kämpfen hat, im Leben und seinen widrigen Umständen
einen Sinn zu finden. Die beste Möglichkeit, das auszudrücken, liegt für mich doch in
der Musik. Nicht, dass ich Musik um der Berühmtheit und des Lobes willen schreibe
und auch nicht um ein Einkommen zu sichern. Es hat vielmehr therapeutische
Qualitäten, hilft mir beim Loslassen von Spannungen und dabei, mich selbst
auszudrücken. Da ich es ohnehin vorziehe, drinnen etwas Ruhe zu haben, gehe ich auch
kaum aus.

Ich sollte noch etwas über Simbabwe schreiben. Dabei möchte ich aber ehrlich bleiben und
anmerken, dass ich mich unwohl fühle, über meine Familie und ihre Mühen zu
schreiben, weil es mich emotional mitnimmt, zumal zwar viel gesagt, aber nicht
wesentlich geholfen werden kann. Wie Sie wissen, ist mein Vater 2014 verstorben,
während meine drei Schwestern, meine Nichte und mein Neffe alle bei meiner Mutter
wohnen. Alles, was ich im Moment dazu sagen kann, ist, dass sie alle finanziell von
mir abhängen und ich als einziger derzeit ein Einkommen habe. Das ist zwar eine
Herausforderung, aber Gott schaut zu und ich glaube, Er hilft auch durch Ihre
Spenden. Es bleibt schwierig für mich, mein Leben, Schule, Arbeit und Familie unter
einen Hut zu bringen, ohne innerlich zusammenzubrechen. Im Moment kommt alles
auf mich zu; Aber es bleibt die Hoffnung auf ein besseres Morgen. Dabei hoffe ich nur,
genug zu verdienen, um unsere Herausforderungen ertragen zu können. Das sollte
sich aber in besseren Zeiten einstellen.

Ehrlich gesagt ist mein Studium auch nicht einfach. Einige Fächer mag ich sehr, etwa
wenn wir Apps programmieren oder ihr Design bearbeiten. Dabei gefällt mir die Vorstel –
lung, etwas aus dem Nichts heraus zu erschaffen und es inspiriert mich auch, das
Potential zu erkennen, das in der Software-Entwicklung steckt. Dagegen bin ich in
Mathematik und ihren Nachbarfächern nicht besonders gut. Schon seit der Mittelstufe
war ich nie der Mathe-Crack, so dass sich jeder denken kann, welche Schwierigkeiten
ich auf diesem Gebiet noch mit mir herumtrage. Natürlich gebe ich alles, aber
manchmal reicht das nicht. Im letzten Semester stand ich vor einer Software-Prüfung
und konnte leider das Statistik-Modul nicht bestehen. Das legt sich jetzt noch wie ein
Schatten über meine erreichten Fortschritte. Wenn ich dabei auch gestrauchelt bin,
werde ich doch wieder aufstehen und mich im nächsten Semester erst recht darum
kümmern – zumal das Fach nur einmal im Jahr angeboten wird. Zugegebenermaßen
fühle ich mich schlecht bei der Mitteilung, dass ich hier einmal durchgefallen bin, aber
es hilft ja nichts, wenn ich Sie über meine akademischen Fortschritte anlügen würde.
Zuweilen geht es mir durch den Sinn, dass ich vielleicht ein Einser-Student wäre,
wenn ich mich nicht umfassend um allerlei Verantwortlichkeiten sorgen müsste. Das
gibt es aber wohl nur in einer perfekten Welt.

Eigentlich bin ich eine sehr zurückhaltende Person und spreche kaum über mein
Privatleben. So bin ich nun einmal. Bei allem, was ich noch sagen könnte, will ich hier
einhalten und hoffe, bei nächster Gelegenheit etwas mehr mitteilen zu können.
Ich hoffe, Sie können mit meinem Brief etwas anfangen. Ich habe ihn ganz ehrlich
geschrieben – ganz wie an einen Freund, so dass ich auch über einige Sachen sprechen
konnte, die ich ansonsten für mich behalte.

Bleiben Sie gesegnet und zögern Sie doch nicht, falls Sie sich an mich wenden
möchten. Nicht nur ich, sondern meine ganze Familie schätzen Ihre unerschütterlich
treue Unterstützung. Seien Sie gewiss, dass wir für Sie beten. Sie haben uns
Hoffnung gegeben.
Vielen Dank.
Herzliche Grüße Peter Wandai