Karfreitags-Leseandacht

Begrüßung

“Also hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn gab, auf dass alle, die an ihn glauben, nicht verliren werden, sondern das ewige Leben haben.” (Johannes 3,16)

Mit diesem Wochenspruch begrüße ich alle Leserinnen und Leser an diesem Karfreitag. Wir gedenken heute dem Tod Jesu Christi am Kreuz.

EG 81 Herzliebster Jesu (vor allem die Strophen 1-3, 5, 10)

Psalm

Wir beten mit Worten aus Psalm 22. [EG 709]
Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?
Ich schreie, aber meine Hilfe ist ferne.
Mein Gott, des Tages rufe ich, doch antwortest du nicht,
und des Nachts, doch finde ich keine Ruhe.
Du aber bist heilig,
der du thronst über den Lobgesängen Israels.
Unsere Väter hofften auf dich;
und da sie hofften, halfst du ihnen heraus.
Zu dir schrien sie und wurden errettet,
sie hofften auf dich und wurden nicht zuschanden.
Sei nicht ferne von mir, denn Angst ist nahe;
denn es ist hier kein Helfer.
Aber du, Herr, sei nicht ferne;
meine Stärke, eile, mir zu helfen!
Ehre sei dem Vater und dem Sohne und dem
Heiligen Geiste. Wie es war im Anfang, jetzt und
immerdar, und von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.

Tagesgebet

Herr, 

Wir leben in einer Zeit der Angst.
Angst vor der Krankheit. 
Angst vor der Ansteckung. 
Und damit in Angst vor unserem Nächsten, der uns anstecken könnte.
Unser Leben scheint uns wie gelähmt.
Es findet nichts statt, wir sitzen nur zuhause.
Wir sind wie gelähmt.
An diesen Ostertagen wollen wir uns auf dich besinnen.
Auf deine frohe Botschaft.
Der Tod ist nicht das Ende.
Die Angst ist nicht das Ende.
Zeige du uns den Weg.
Amen.

Lesung:    Mt 25, 31-40

31 Wenn aber der Menschensohn kommen wird in seiner Herrlichkeit und alle Engel mit ihm, dann wird er sich setzen auf den Thron seiner Herrlichkeit, 32 und alle Völker werden vor ihm versammelt werden. Und er wird sie voneinander scheiden, wie ein Hirt die Schafe von den Böcken scheidet, 33 und wird die Schafe zu seiner Rechten stellen und die Böcke zur Linken. 34 Da wird dann der König sagen zu denen zu seiner Rechten: Kommt her, ihr Gesegneten meines Vaters, ererbt das Reich, das euch bereitet ist von Anbeginn der Welt! 35 Denn ich bin hungrig gewesen und ihr habt mir zu essen gegeben. Ich bin durstig gewesen und ihr habt mir zu trinken gegeben. Ich bin ein Fremder gewesen und ihr habt mich aufgenommen. 36 Ich bin nackt gewesen und ihr habt mich gekleidet. Ich bin krank gewesen und ihr habt mich besucht. Ich bin im Gefängnis gewesen und ihr seid zu mir gekommen. 37 Dann werden ihm die Gerechten antworten und sagen: Herr, wann haben wir dich hungrig gesehen und haben dir zu essen gegeben? Oder durstig und haben dir zu trinken gegeben? 38 Wann haben wir dich als Fremden gesehen und haben dich aufgenommen? Oder nackt und haben dich gekleidet? 39 Wann haben wir dich krank oder im Gefängnis gesehen und sind zu dir gekommen? 40 Und der König wird antworten und zu ihnen sagen: Wahrlich, ich sage euch: Was ihr getan habt einem von diesen meinen geringsten Brüdern, das habt ihr mir getan.

Lesepredigt

Gnade sei mit euch, und Friede von Gott unserem Vater, und unserm Herrn Jesus Christus. Amen.

Liebe Gemeinde, wer ist es, der da am Kreuz stirbt?

Mir fällt dazu das Kreuzigungsbild auf dem Isenheimer Altar ein. Es ist das erste Bild von mehreren hintereinander. Es wurde immer Werktags gezeigt. Im Mittelpunkt des Bildes hängt Christus am Kreuz. Es ist kein Bild, dass einen glorreichen, siegreichen Christus zeigt. Im Gegenteil. Sein Körper ist ausgemergelt. Seine Hände schmerzhaft verkramft. Der Querbalken des Kreuzes ist nach unten durchgebogen. Der mitgenommene Körper Christi hängt sehr schwer daran.

(Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Datei:Mathis_Gothart_Gr%C3%BCnewald_022.jpg )

Aber was mich an dieser Darstellung besonders berührt: Christi Hautfarbe ist gräulich. Er wirkt blutleer. Und er ist über und über mit kleinen Wunden bedeckt.

Dieses Altarbild wurde im 16. Jahrhundert für das Isenheimer Kloster gemalt. Dieses Kloster gehörte zum Orden der Antoniter, einem Hospitalorden. Er hatte es sich zur Aufgabe gemacht, Kranke zu pflegen, die das sogenannte Antoniusfeuer oder auch Heiliges Feuer hatten. Heute nennt man die Krankheit Motterkornvergiftung. Heute weiß man, dass der Mutterkornpilz auf Getreide wächst. Wenn man das Korn zu Mehl mahlt und isst, isst man auch den Pilz und vergiftet sich. Die Blutgefäße werden massiv verengt, weshalb die Haut gräulich wirken kann: sie wird nicht mehr richtig durchblutet. Besonders die Gliedmaßen sind kalt und blass. Es juckt überall oder es gibt andere Empfindungsstörungen. Es fühlt sich wie ein inneres Brennen an. Sie sind überall mit kleinen Wunden übersäht, vermutlich Sekundärinfektionen. Vielleicht kommen diese auch vom Kratzen.

Die Menschen im Mittelalter und der frühen Neuzeit wussten nicht, dass es eine Vergiftung war. Für sie war es eine schlimme Krankheit. Man versuchte mit allerlei Mitteln, sich zu schützen. Auch mit Prozessionen und Zeremonien. Und der Antoniterorden kümmerte sich um die Kranken. Im 15. Jahrhundert war er auch etwa 370 Spitäler angewachsen, die sich um 4000 Erkrankte kümmerten. 

Wenn man in der Nähe von Isenheim erkrankte, wurde man in das dortige Kloster gebracht. Bevor aber die wirkliche Pflege dort begann, gab es eine Art Initiation. Diese fand vor allem vor dem Altar stand, über dem dieses Bild hing. Es stellte der erkrankten Person ein Christus vor Augen, der genau so leidete wie er. Und an den Werktagen, also möglichst oft, konnte der Erkrankte ihn immer wieder betrachten.

Für die Mönche in Isenheim war klar: Am Kreuz hängt ihr Jesus. Es geht ihnen nicht um eine historisch vollkommen korrekte Darstellung. Es geht ihnen um eine wichtige Erkenntnis: Ihr Jesu leidet genau so wie die Erkrankten, um die sie sich kümmern. Und wenn diese gesund werden? Dann unterstützen sie weiter das Kloster. Und werden vielleicht selbst Mönche. Die Antoniter hatten Mitleid mit den Kranken. Sie hörten auf das, was Jesus gesagt hat: “Was ihr getan habt einem von diesen meinen geringsten Brüdern, das habt ihr mir getan.” (Mt 25,40)

Mir fällt es sehr schwer, zu wissen, dass an Ostern keine “normalen” Gottesdienste in den Gemeinden sind. Mir fällt es schwer, dass ich mich nicht einfach mit Leuten treffen kann. Die Corona-Pandemie schränkt unser ganzes Leben ein. Und immer schwingt die Angst mit, die Unsicherheit. Was ist richtig? Was kann man noch bedenkenlos machen? Wann gibt es endlich wieder Planungssicherheit?

Liebe Gemeinde, wer ist es, der da am Kreuz stirbt?

Die Mönche und auch die Kranken in Isenheim hatten ihren Christus.

Wie sieht mein Christus aus? Hat er auch Corona, zeigt schwere Symptome und liegt mit einem Beatmungsgerät auf einer Intensivstation? Hat er Angst? Sitzt auch er zuhause, weil er sich nicht anstecken will? Weil er andere nicht anstecken will? Ist er unermüdlich im Einsatz, um die Kranken zu pflegen? Ist sein Gesicht voll mit Blessuren, weil er den ganzen Tag Schutzkleidung trägt? Sitzt er trotzt Angst vor der Ansteckung an der Kasse, damit andere weiter einkaufen können?

Das Wissen darum, dass Jesus am Kreuz die schlimmsten Qualen erlitten hat, ermutigt mich. Das heißt für mich, wenn es mir richtig schlecht geht: Jesus weiß, wie es sich anfühlt. Selbst die schlimmste Gottverlassenheit hat er erlebt, als er am Kreuz ruft: “Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?” (Mk 15,34) Jesus weiß, wie sich das anfühlt. Auf der anderen Seite kennt er auch die absolute Gottesnähe. Er ist durch ganz Israel gereist, hat Leute geheilt und gepredigt, in Gottes Namen. Immer in dem Wissen, dass Gott bei ihm ist. Ich glaube, deshalb kann er mich besonders gut begleiten. Das ist es, was mich stärkt. Das wissen, dass Jesus bei mir ist. Wenn ich mich Gott ganz nah fühle. Und wenn ich mich frage, wo Gott gerade ist. Wenn es mir gut geht. Und wenn ich das Gefühl habe, meine ganze Welt bricht ein.

Das sorgt nicht dafür, dass meine Angst weg ist. Aber sie wird ertäglich. Sie lähmt mich nicht mehr. Trotz allem sogenannten “social distancing” kann ich dann im nächsten Menschen Jesus Christus erkennen. In den Corona-Helden. In den einsamen Menschen zuhause. In den Kranken.

In Jesus Christus ist Gott Mensch geworden. Er ist für uns Mensch geworden.

In Jesus Christus ist Gott gestorben. Er ist für uns gestorben. Am Kreuz hingerichtet.

Aber die Gewalt, die Angst und der Tod haben nicht das letzte Wort. Auch wenn es zwischenzeitlich so aussehen mag, wie am Karfreitag. Aber auf den Karfreitag folgt auch immer der Ostersonntag. 

Und der Friede Gottes, welcher höher ist als all unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.

EG 85 O Haupt voll Blut und Wunden (vor allem die Strophen 1-4, 6, 9, 10)

Fürbitten 

Jesus Christus, dein Kreuz ist aufgerichtet.
Du wurdest dem Tod ausgeliefert
und wir sind frei.
Du stirbst
und wir leben.
Jesus Christus, dein Kreuz ist aufgerichtet.
und wir beten
für die Mächtigen, die Unschuldige dem Tod überantworten.
für die Helfer des Todes.
Wir beten
für die, die an dem festhalten, was dem Tod dient.
Du stirbst am Kreuz, Jesus Christus,
und wir leben.
Dein Kreuz, Jesus Christus, ist aufgerichtet
und wir beten
für alle, die Angst um ihre Kinder und ihre Freunde haben.
Für alle, die um ihre Gesundheit oder ihre Freiheit Angst haben.
Wir beten
für alle, die gemeinsam dem Bösen widerstehen.
Du stirbst am Kreuz, Jesus Christus,
und wir leben.
Dein Kreuz, Jesus Christus, ist aufgerichtet
und wir beten
für alle, die einsam sind.
für alle, die vereinsamen.
Wir beten für alle, 
die unter der Corona-Pandemie leiden.
Du stirbst am Kreuz, Jesus Christus,
und wir leben.
Herr, erbarme dich.
Jesus Christus, erbarme dich.
du wurdest dem Tod ausgeliefert
und wir sind frei.
Du stirbst
und wir leben.
Wir danken dir für dein Kreuz,
heute und morgen und alle Tage.
Amen.

EG 94 Das Kreuz ist aufgerichtet

Segen

Der Herr segne dich und behüte dich. Der Herr lasse sein Angesicht leuchten über dir und sei dir gnädig. Der Herr erhebe sein Angesicht auf dich und schenke dir Frieden.

Viel Gesundheit und Kraft wünscht Ihnen

Ihr Vikar Frederik Ebling